Im tibetischen Buddhismus wird mit „Kora“ die rituelle Umrundung eines heiligen Ortes bezeichnet. In McLeod Ganj ist dieser heilige Ort der Wohnsitz des Dalai Lama, der traditionellerweise im Uhrzeigersinn umrundet wird. Es ist ein wunderschöner Waldweg, gesäumt von weiss getünchten Steinhäufchen, farbigen Mani-Steinen, sowie unzähligen Gebetsfahnen und Gebetsmühlen. Geht man die Kora früh morgens, begleitet einen das ständige Murmeln der Tibeter, die während der Umrundung das Mantra Om mani padme hum rezitieren.

Wir beide planen meist rund 1 Stunde ein um die Kora zu gehen, so dass wir genügend Zeit haben, die mystische und kraftvolle Atmosphäre, die diesen Ort prägt, auf uns wirken zu lassen. In der Regel treffen wir bei unserem Rundgang vor allem ältere Menschen an, von denen leider nur wenige Englisch sprechen. Doch trotzdem können wir ihr offenes und warmes Herz fühlen, wenn sie uns lachend zuwinken, uns Kekse und getrocknete Früchte schenken, oder versuchen, uns in tibetisch und gebrochenem Englisch etwas zu erzählen. 

In dieser wundervollen, ruhigen und friedlichen Umgebung vergessen wir manchmal beinahe wo wir sind. Doch spätestens am Ende der Kora, wenn wir vor dem Eingang des Haupttempels ankommen, werden wir in die Realität zurück geholt. Auf dem Platz vor dem Tempel geht es geschäftig zu und her. Es wird Obst und Gemüse verkauft, ein Mann preist frische Momos an, Lieferwagen und Taxis bahnen sich laut hupend einen Weg durch die Menschen, in der stinkenden Müllhalde am Rande des Platzes suchen Hunde, Kühe und Affen nach Essensresten. Am Eingang des Tempels treffen wir auf die vielen Bettler, die hier ihren Tag verbringen und auf Spenden der Tempelbesucher hoffen. Oft sind es indische Frauen mit krank aussehenden Kindern auf dem Arm, die uns um Geld bitten, manchmal auch Männer oder Kinder mit verstümmelten Gliedmassen. Der Umgang mit dem offensichtlichen Elend dieser Menschen ist für uns sehr schwierig, oftmals auch überfordernd und regt zum Nachdenken an…

Schliesslich passieren wir das Eingangstor und begeben uns ins Innere der Tempelanlage, welche zum Abschluss der Kora ebenfalls umrundet wird. Für uns sind die Begegnungen mit den Menschen, die wir beim Gehen der Kora treffen, zu einem bereichernden und inspirierenden Teil unserer Tage in McLeod Ganj geworden, die wir gerne mit euch teilen.