Etwas oberhalb von McLeod Ganj, ebenfalls zu Fuss über schöne Waldwege erreichbar, liegt das Tibetan Children’s Village – kurz TCV genannt. Das TCV ist eine gemeinnützige Organisation die sich um die Betreuung von tibetischen Kindern im Exil kümmert und ihnen Zugang zu Schulbildung sowie Bildung in tibetischer Sprache und Kultur ermöglicht.
Wir haben viel über das TCV gehört und auch einige junge Menschen getroffen, die dort aufgewachsen sind und uns dazu ermuntert haben, den Campus zu besuchen. Bei unserer Ankunft im TCV haben wir uns bei der Rezeption angemeldet und wurden darauf hin von einer jungen Frau durch die Anlage geführt und in groben Zügen über die Entstehung sowie die heutige Situation der Institution informiert. So erzählte sie uns, dass im Zuge der chinesischen Besetzung Tibets mehr als 1 Million Tibeter ihr Leben verloren haben. Rund 100’000 Menschen sind seit 1960 ins Exil geflüchtet, darunter viele Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder die von den Eltern mit teuer bezahlten Schleppern ins Ausland geschickt wurden, damit sie eine bessere Zukunft haben würden.
Sehr früh erkannte der Dalai Lama die Notwendigkeit, den vielen mittellosen, oft auch kranken, unterernährten und psychisch schwer belasteten Kindern die nach Indien kamen, Schutz und Pflege zu bieten. So wurde 1960 erstmals ein kleines Zentrum eingerichtet, welches 51 Kinder aufnehmen und betreuen konnte. Aufgrund der grossen Flüchtlingsströme in den darauf folgenden Jahren war die Kapazität dieses kleinen Zentrums jedoch schnell ausgeschöpft. Sowohl die indische Regierung als auch internationale Hilfsorganisationen und private Spender erkannten die Not der tibetischen Flüchtlinge und begannen die Menschen finanziell zu unterstützen. So konnte das einst kleine Zentrum mit 51 Kindern zu einer grossen Organisation heranwachsen, die heute in ganz Indien insgesamt 5 Kinderdörfer, 7 Internate, 6 Tagesschulen und 9 Kindertagesstätten zählt und rund 16’000 Kindern eine fundierte Schulbildung, Zugang zu tibetischer Kultur sowie in vielen Fällen auch ein Zuhause und einen familiären Rahmen bietet.
Der Besuch im TCV hat bei uns beiden gemischte Gefühle ausgelöst – einerseits Betroffenheit, anderseits aber auch Zuversicht. Betroffenheit darüber, dass durch die politische Situation in China so viele Menschen getötet und unzählige Familien getrennt, zerrüttet oder gar ausgelöscht wurden. Auch bei der Flucht über den Himalaya kamen tausende Menschen ums Leben. Und selbst diejenigen, die in die benachbarten Länder fliehen konnten zahlen einen hohen Preis. Denn sie mussten alles hinter sich lassen – ihre Familien, ihre Verwandten, ihren gesamten Besitz, einfach alles was ihnen lieb war und auch sie tragen den Schmerz und das Leid in sich, das ihnen selbst und ihrem Volk angetan wurde und immer noch wird.
Andererseits – und das hat dieses Gefühl der Zuversicht in uns geweckt – ist Indien aus unserer Sicht auch ein grosses Vorbild für Gastfreundschaft, Offenheit und Unterstützung. Indien hat sich der Not der Tibeter angenommen, hat ihnen Land zur Verfügung gestellt, ihnen das Recht erteilt ihre eigenen Schulen zu führen, in welchen tibetische Sprache und Kultur unterrichtet werden und hat ihnen die Möglichkeit gegeben, Institutionen zum Erhalt und zur Förderung ihrer Kultur und Religion zu gründen und zu führen. Das ist eine Geste der Offenheit, der Freundschaft und des Friedens die uns sehr berührt hat und die zeigt, dass auch aus so schwierigen Situationen etwas sehr schönes entstehen kann.
(weiterführende Informationen zum TCV: www.tcv.org.in)